Presseartikel Rungholt Ausstellung Husum 2016 bis 2017
Sturmfluten und deren Folgen
www.nordsee-netz.de 03.06.2016
Sturmfluten und Nordsee sind zwei Begriffe, die zusammen gehören. Die gesamte Nordseeküste ist in ihrer heutigen Gestalt auch ein Ergebnis ihres Wirkens seit Jahrhunderten. Darunter sind
Ereignisse, die größtenteils mündlich überliefert wurden. Eine davon ist die "Grote Mandränke", die zweite Marcellusflut von 1362, die hunderte von Todesopfern gefordert hat und Ursache für den
Untergang einer legendären Siedlung an der nordfriesischen Küste sein soll: Rungholt. Noch heute findet der kundige Sucher Überreste dieser Siedlung im Wattenmeer. Das ist Grund für viele
Wattführer, sich ganz gezielt auf die Spurensuche zu begeben.
Auf den Spuren von Rungholt
Als 1362 eine ganze Landschaft unterging, war darunter auch ein Ort mit Namens "Rungholt". Er lag zwischen den heutigen Inseln Nordstrand und Pellworm und wurde zum Synonym für die ganze
Landschaft. Betrachtet man mit "Rungholt" das gesamte untergegangene Gebiet, so wandelt man zwischen der Hallig Südfall und Nordstrand sicher über "Rungholt". Im Norden sind Pellworm und die
Halligen zu erkennen, wie sie sich eben über den Meeresboden erheben. Vor dem großen Ertrinken war dies zusammenhängendes Land und wurde von den Fluten der zweiten "Mandränke" 1634 endgültig
zerrissen und ersäuft. "Das eigentliche Rungholt hatte einen Hafen, war aber eher ein Siedlungsgemenge als eine Stadt, wie wir uns das heute vorstellen", erklärt Wattführerin Christine
Detheffsen. Ein Kollege von ihr hat ein Fass gefunden, sie selbst etliche Scherben sowie viele Tierknochen und sogar Menschenknochen. Ziegelsteie deuten auf wichtigere Häuser hin zum Beispiel
Kirchen. Und manchmal kann man Baumstuppen erkennen.
Ausstellung in Husum
Von Ende Mai 2016 bis Januar 2017 steht Rungholt im Mittelpunkt einer besonderen Ausstellung. Das NordseeMuseum Husum zeigt das nordfriesische Wattenmeer mit seinen Kulturspuren. Während der
verheerenden Flut im Jahre 1362 versank eine ganze Landschaft, von denen zum Beispiel die Inseln Nordstrand und Pellworm sowie die Hallig Südfall übriggeblieben sind. In der Austellung sind
erstmals die wichtigsten und schönsten Fundstücke aus öffentlichen und privaten Sammlungen zusammengeführt und erlauben faszinierende Blicke auf einen Lebensraum und deren Bewohner. Ein bisschen
also ist Rungholt wieder auferstanden und ein Gesicht hat es nun auch - Rechtsmediziner rekonstruierten an einem aufgefundenen Schädel das Abbild eines Mannes.
Auf den spuren von rungholt
Friesenanzeiger Juni 2016
"Ich nehme Sie heute mit auf eine Zeitreise nach Rungholt", sagt Christine Dethleffsen. Sie ist zertifizierte Wattführerin und steht auf dem Deich bei Fuhlehörn auf Nordstrand und blickt auf das
Wattenmeer, Das Wasser läuft ab, erste höher liegende Wattbereiche fallen trocken. Im Westen ist die Hallig Südfall zu erkennen. Rungholt ist ein sagenhafter Ort; untergegangen in einer
verheerenden Orkanflut vor mehr als 650 Jahren. Auf festem Watt geht es im Zickzack gen Westen. Den direkten Weg versperren die Priele. Es sind insgesamt 14 bequem zu gehende Kilometer. Die
Gruppe erreicht den "Tonenstein", der den Eintritt in das Gebiet ehemaliger Warften markiert. In der alles ertränkenden "Marcellusflut" zwischen dem 15. bis 17. Januar des Jahres 1362
verschwanden Wohnhäuser, die Warften aber konnte die Nordsee bis heute nicht ganz abrasieren. Der geübte Blick erkennt sie schnell im Watt. "Das hier war eine Kirchwarft", erklärt Christine
Dethleffsen, "man erkennt es daran, dass keine Brunenreste gefunden wurden." Damals schachteten die Leute ihre Brunnen mit Torfsoden aus, diese charakteristische Struktur wird zur Zeit eher
selten gefunden, da sie verschlickt sind. Aber sie markieren alte Siedlungsplätze.
Rungholt lag zwischen den heutigen Inseln Nordstrand und Pellworm und wurde zum Synonym für die ganze Landschaft. Zwischen der Hallig Südfall und Nordstrand geht man über Rungholt. Im Norden sind
Pellworm und die Halligen zu erkennen. Vor dem großen Ertrinken war dies zusammenhängendes Land und wurde von den Fluten der zweiten "Mandränke" 1634 endgültig zerrissen und ersäuft. "Das
eigentliche Rungholt hatte einen Hafen und war eher ein Siedlungsgemenge als eine Stadt, wie wir und das heute vorstellen", erklärt Christine Dethleffsen.
Nun hat sich die Wattstruktur verändert: Sandbänke sind zu erkennen. Die Gruppe marschiert auf alten Warften. "Wir kommen jetzt in das Gebiet, in dem viele Relikte entdeckt wurden", sagt
Christine Dethleffsen. Einer ihrer Mitarbeiter hat ein Fass gefunden, sie selbst etliche Scherben sowie viele Tierknochen und sogar Menschenknochen. Ziegelsteine deuten auf wichtigere
Häuser hin. Manchmal sind Baumstubben zu erkennen. "Rungholt war eine Handelsort, das kann man an den Fundstücken im Nordsee Museum Husum gut nachvollziehen. Vieh verdurstete nach Sturmfluten
eher, als dass es ertrank. Die Fethinge, offene Zisternen auf den Warften mit Regenwasser für Vieh, waren versalzen. Dass die Pest wenige Jahre vor dem Untergang hier gewütet hatte und schlechtes
Wetter die Ernten miserabel ausfallen ließ, hat möglicherweise die Arbeitskraft der Rungholter geschwächt, so dass die Deiche nicht mehr in Ordnung gehalten werden konnten. Zwar ist noch Ebbe,
doch manchmal ist es unheimlich, wie schnell das Wasser kommt: Deshalb gilt es jetzt, schleunigst umzukehren. Bei ausfallendem Wasser geht Rungholt wieder unter wie seit über 650 Jahren.
Hamburger Abendblatt 26.05.16
Meer Ist Mehr 15.05.16 Ausg. 16
Kulturzeitschrift Schleswig Holstein 02/2016
Museums-Vielfalt in husum
Flaschenpost Ausgabe 2/2016
Museumsliebhaber kommen in Husum voll und ganz auf ihre Kosten. Diverse Einrichtungen und spannende Sammlungen bringen den Besuchern das Leben der Menschen an der Nordsee auf ganz individuelle
Weise nahe. Drei dieser Museen haben sich vor genau 20 Jahren zum Museumsverbund Nordfriesland zusammengeschlossen: Das Schloss vor Husum, das NordseeMuseum Husum im Nissenhaus und das
Freilichtmuseum Ostenfelder Bauernhaus. Das NordseeMuseum beschäftigt sich mit dem nachhaltigen Miteinander von Mensch und Meer an der Küste. Es beherbergt die europaweit einmalige Kunstsammlung
von Ludwig Nissen und lädt ab Ende Mai zu einer spektakulären Sonderaustellung zum Untergang der sagenumwobenen Stadt Rungholt ein. Der Küsten- und Klimaschutz soll bei dieser Gelegenheit genauso
beleuchtet werden wie der Kampf des Menschen gegen das Meer und der Untergang menschlicher Kulturen. Die Besucher können sich auf spannende Neufunde freuen und sich über die neuesten
Forschungsergebnisse informieren. Diverse Artefakte sollen dann zum ersten Mal in dieser Vollständigkeit der Öffentlichkeit präsentiert werden. Mehr auf: www.rungholt-ausstellung-husum.de
Nordsee-Museum macht sich einen Kopf
Husumer Nachrichten 15. Mai 2016
vom15. Mai 2016
Aus der Redaktion der Husumer Nachrichten
Er soll der „Star“ einer neuen Sonderausstellung in Husum werden: Eine Rechtsmedizinerin in Frankfurt verleiht dem Schädel eines Mannes aus der versunkenen Nordsee-Stadt Rungholt
menschliche Züge.
Nasen haben es Dr. Constanze Niess angetan. „Ich bin so gespannt, wie sie bei ihm
aussehen wird“, sagte sie im Januar mit leuchtenden Augen. Das war, als in Husum bekanntgegeben wurde, dass die
Rechtsmedizinerin einem Rungholter sein Gesicht wiedergeben soll. Jahrzehntelang lag der Schädel des ältesten bekannten Nordfriesen, der vor 654 Jahren bei der „Groten Mandränke“ ums
Leben kam, kaum beachtet im Archiv des Nordsee-Museums. Nun soll K 4064 – so lautet die Inventarnummer – ein wichtiger Baustein der Sonderausstellung werden, die dort von
Sonntag, 29. Mai, an gezeigt wird.
Den Toten ihr ursprüngliches Aussehen zurückgeben – das kann nur eine Handvoll Experten in Deutschland. Niess gehört dazu. Grundlage ist die einfache Erkenntnis, dass jeder Schädel so
individuell ist wie ein Fingerabdruck. Anfang März hat die Frankfurterin damit begonnen, „zu tun, was der Knochen ihr sagt“, erklärt sie. Für die Weichteil-Rekonstruktion wurde extra ein
blaues Schädel-Duplikat angefertigt – im 3 D-Druckverfahren – um das Original nicht zu beschädigen. Mittlerweile nimmt das Gesicht im wahrsten Sinne des Wortes Form an. Und
eine Nase gibt es auch schon. Sie ist groß und breit. „Ich habe jetzt eine Stufe erreicht, die ich Gesichtsrohling nenne. Unser Rungholter hat neben der Nase jetzt auch Mund, Augen,
Weichteile, Kopfschwarte und einen Hals. Was noch fehlt, sind Ohren, Frisur und Augenbrauen“, erklärt Niess. „Im Moment sieht er allerdings noch aus wie ein Knetmännchen“, fügt sie
lächelnd hinzu.
Die Wiederherstellung dieses Gesichtes ist kostspielig. 6000 Euro werden dafür benötigt. Deshalb hatte das Nordsee-Museum zusammen mit seinem Partner, dem Nordfriisk Instituut, eine große
Spendenaktion ins Leben gerufen. „Die 6000 Euro sind leider nicht zusammengekommen“, sagt Tanja
Brümmer, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Nordsee-Museums. Trotzdem: Gut die Hälfte der benötigten Summe sei gespendet worden und das habe schon sehr weitergeholfen. Den
Rest trägt das Museum. „Doch ohne die Hilfe der Bürger wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen“, stellt Brümmer klar.
Seit 15 Jahren hat sich Niess, die am Institut für Rechtsmedizin am Klinikum der Frankfurter Goethe-Universität arbeitet, auf die forensische Gesichtsrekonstruktion nicht
identifizierbarer Leichen spezialisiert. Sie unterstützt damit vor allem polizeiliche Ermittlungen, der ein oder andere aufgeklärte Fall geht damit auch auf ihr Konto. Seit 2012
beschäftigt sie sich auch mit historischen Fällen. So gab sie etwa einem Steinzeit-Mädchen, einem Adligen aus der Merowingerzeit oder einer jungen Germanin das Gesicht zurück. Sogar beim
Münsteraner Tatort-Krimi „Herrenabend“ spielte eine ihrer Gesichtsrekonstruktionen eine zentrale Rolle.
Die 49-Jährige hat bei Experten in den USA gelernt, das Antlitz von längst verstorbenen Menschen zu modellieren, von denen nicht mehr als die Schädelform bekannt ist. Dafür häuft sich auf
ihrem Schreibtisch jede Menge Plastilin, eine braune, elastische Modelliermasse, die an Knetgummi erinnert. Die Rechtsmedizin kennt für rund zwei Dutzend charakteristische Punkte in einem
Gesicht Standardwerte, wie viel Haut und Muskeln sich zu Lebzeiten darüber spannten. An diese genau definierten Stellen setzt Niess kleine Plastiktürmchen, Weichteilmarker genannt: Zum
Beispiel direkt über die Augenhöhle, genau darunter, oder an die Kinnspitze. Die Zwischenräume zwischen den Punkten verbindet sie anschließend mit Plastilin-Streifen. Danach beginnt die
Feinarbeit: Eine schmale Nasenöffnung bedeutet, dass die Person auch eine schmale Nase hatte. Der Abstand der Augenmitten ergibt die Breite des Mundes, und die Maße der Schneidezähne
ermöglichen der Expertin eine individuelle Ausformung der Lippen.
Wie macht er sich denn so, der Rungholter? „Im Großen und Ganzen ist er ganz pflegeleicht“, so Niess. Besonders freue sie sich darüber, dass der Schädel nur wenig beschädigt und die Zähne
außergewöhnlich gut erhalten sind. Nach dem technischen Teil verleiht sie dem Rungholter menschliche Züge. Im Moment überlege sie, ob ihr Schützling, von dem sie vermutet, dass er ein
junger, muskulöser Fischer gewesen sein könnte, einen Dreitagebart bekommen soll. Einen Vollbart möchte sie ihm ungern verpassen. „Dann sieht man die Hälfte des Gesichtes ja gar nicht
mehr.“ Inzwischen kann sie ihm auch tief in die blauen Glas-Augen schauen, die ihr Kollege Ulrich Müller-Uri angefertigt hat. Ob sie wirklich diese Farbe hatten, kann man nach so langer
Zeit nicht mehr sagen. Doch das Museum habe sich dunkelblaue Augen gewünscht.
Auch wenn die Rechtsmedizinerin rund 60 Stunden für die Rekonstruktion einkalkuliert hat und damit eine Menge Zeit mit dem Schädel verbringt – einen Namen bekommt der uralte Nordfriese
nicht. „Für mich ist und bleibt er der Rungholter. Meinen Arbeiten gebe ich grundsätzlich keine Namen“, macht sie deutlich. Durchschnittlich drei bis vier Stunden täglich widmet Niess dem
Totenschädel des Mannes, der um 1925 im Watt gefunden wurde. Doch sie hat auch andere Aufträge, um die sie sich kümmern muss, deshalb müsse der Rungholter auch mal ein, zwei Wochen
warten. „Jetzt muss ich mich aber ranhalten, ich bin im Verzug“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Die Grobbearbeitung ist zwar geschafft, die Proportionen habe ich. Aber jetzt muss der
Gute noch künstlerisch verfeinert werden und der Abgabetermin nähert sich mit großen Schritten“, sagt sie.
Damit der rätselhafte Rungholter bis zur Ausstellungseröffnung auch ein Mysterium bleibt, möchte das Museum nicht, dass ein Foto vom Stand der Arbeiten am Schädel veröffentlicht wird.
„Wir wollen doch nicht zuviel von der Überraschung wegnehmen“, sagt Tanja Brümmer augenzwinkernd.
Quelle: Patricia Wagner (shz)
1362. Das Gesicht von rungholt
Husumer Nachrichten 02. Februar 2016
Wer spendet für Schädel-Rekonstruktion?: Museum macht sich einen Kopf
vom2. Februar 2016
Aus der Redaktion der Husumer Nachrichten
2000 der benötigten 6000 Euro hat das Nordsee-Museum in Husum schon zusammen. Damit soll ein Schädel rekonstruiert werden – Relikt aus der untergegangenen Siedlung
Rungholt.
Er hat etwas Unheimliches und Rätselhaftes an sich, der Schädel eines Rungholters. Die Frankfurter Rechtsmedizinerin Dr. Constanze Niess will dem Relikt aus der 1362 versunkenen Siedlung
wieder ein Gesicht geben. Diese Weichteil-Rekonstruktion ist Baustein der Rungholt-Sonderausstellung, die im Husumer Nordsee-Museum gezeigt werden soll. Doch das Projekt ist kostspielig –
6000 Euro werden dafür benötigt. Deshalb hat das Museum eine Spendenaktion gestartet. „2000 Euro von 16 Spendern sind bislang zusammengekommen“, berichtet Tanja Brümmer, wissenschaftliche
Mitarbeiterin des Nordsee-Museums. „Wir sind begeistert und würden uns natürlich freuen, wenn es noch mehr wird.“
Unterdessen laufen die Ausstellungs-Vorbereitungen auf Hochtouren. Die Friede-Springer-Stiftung hat nun 25.000 Euro für DNA-Untersuchungen genehmigt. „Vor ein paar Tagen habe ich den
Schädel ins DNA-Labor nach Kiel gebracht. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent können dort Haar- und Augenfarbe unseres Rungholters festgestellt werden“, erklärt Brümmer. Spenden
können auf folgendes Konto überwiesen werden: Nord-Ostsee-Sparkasse; IBAN: DE33217500000000013789; BIC: NOLADE21NOS; Verwendungszweck: Das Gesicht von Rungholt.
von
Patricia Wagner
erstellt am 02.Feb.2016 | 11:45 Uhr
Am 18. Januar veranstaltete das NordseeMuseum eine Pressekonferenz zu der Sammelaktion "1362. Das Gesicht von Rungolt" folgende Mitteilungen wurden dabei veröffentlicht:
Aus der Palette 20. Januar 2016
Meldung der dpa - Deutsche
Presse.Agentur
Museen– Rungholt-Ausstellung: "Atlantis der Nordsee" bekommt Gesicht
Rechtsmedizinerin Constanze Niess hat sich darauf spezialisiert, Gesichter zu rekonstruieren. Jetzt will sie das Antlitz eines Rungholters nachbilden.
Husum. Das "Atlantis der Nordsee" bekommt ein Gesicht: Für eine Sonderausstellung des NordseeMuseums Husum über das sagenhafte Rungholt wird Rechtsmedizinerin Constanze
Niess aus Frankfurt a.M. das Gesichts eines Rungholters nach wissenschaftlichen Maßstäben rekonstruieren. Die 48-Jährige hat bei Experten in den USA gelernt, das Antlitz von
Menschen zu modellieren, von denen nicht mehr als die Schädelform bekannt ist. Sie wird ein Duplikat eines Schädels als Modellieroberfläche verwenden.
Rungholt war im ausgehenden Mittelalter eine Siedlung im Wattenmeer nahe der Hallig Südfall. Schätzungsweise 500 bis 1000 Einwohner lebten dort bis zur Zerstörung durch eine
verheerende Sturmflut im Jahr 1362. Den Mythos vom sagenhaften Reichtum der Stadt halten Wissenschaftler heute für eindeutig widerlegt. Archäologen fanden in der Siedlung keine
Hinweise auf Hinterlassenschaften einer vermögenden Oberschicht oder auf Fernhandel. Die Menschen trieben Landwirtschaft; einige handelten wohl mit Butter oder Wolle und hin und
wieder vielleicht mit Bernstein. Nach Überzeugung von Rungholt-Kennern fristeten sie ein bescheidenes Leben.
Constanze Niess gibt Toten mit Knetmasse und ihrem Spezialwissen das individuelle Aussehen zurück. Grundlage ist eine einfache Erkenntnis: "Jeder Schädel ist individuell wie ein
Fingerabdruck", erklärt die Rechtsmedizinerin. "Und ein Gesicht ist so individuell wie der darunter liegende Knochen."
Gesichtsrekonstruktion ist keine künstlerische Intuition, sondern streng wissenschaftliche Arbeit, betont die Expertin. Die Rechtsmedizin kennt für rund zwei Dutzend
charakteristische Punkte in einem Gesicht Standardwerte, wie viel Haut und Muskeln sich zu Lebzeiten darüber spannten. An diese genau definierten Stellen setzt Niess kleine
Plastiktürmchen: Zum Beispiel direkt über die Augenhöhle, genau darunter, oder an die Kinnspitze. Die Zwischenräume zwischen den Punkten verbindet sie anschließend mit Streifen
einer braunen dauerelastischen Knetmasse.
Danach beginnt die Feinarbeit: Eine schmale Nasenöffnung bedeutet, dass die Person auch eine schmale Nase hatte. Der Abstand der Augenmitten ergibt die Breite des Mundes, und die
Maße der Schneidezähne ermöglichen der Expertin eine individuelle Ausformung der Lippen. Dazwischen kommt immer wieder Mathematik: Maße des Schädels ergeben mit Hilfe
komplizierter Formeln zum Beispiel die Höhe der Nasenspitze, erklärte Niess.
Für die Ende Mai beginnende Ausstellung wird so ein Gesicht entstehen, von dem die Rechtsmedizinerin sich sicher ist: Menschen, die den Toten vor 700 Jahren kannten, würden ihn
nach dem Modell wiedererkennen.
dpa
Museumsverbund Nordfriesland: Rungholt-Sage: Wie der Schädel eines Rungholters im 3-D-Drucker entsteht
vom18. Januar 2016
Aus der Redaktion des Flensburger Tageblatts
1362 wurde die Stadt Rungholt zerstört. Über ihre Bewohner ist nicht viel bekannt - doch das soll sich ändern.
Flensburg | Die Stadt Rungholt, 1362 von der großen Sturmflut („Große
Mandränke“) zerstört, fasziniert Menschen und Forscher gleichermaßen. Über die damalige Handelsstadt und ihre Bewohner ist aber nicht viel bekannt. Der Museumsverbund Nordfriesland widmet der sagenumwobenen Stadt ab Ende Mai eine Ausstellung, um die bisherigen Erkenntnisse
der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dabei soll ein Einwohner Rungholts ein Gesicht bekommen.
Rungholt war eine Stadt der ehemaligen Insel Strand vor der nordfriesischen Festlandsküste. Viele Legenden ranken sich um die versunkene Stadt - auch die, dass bei ruhigem
Wetter seine Glocken unter der Wasseroberfläche zu hören seien.
Um dies möglich zu machen, hat Cord Johannsen, Labortechniker für
Fahrzeugtechnik/Metalltechnik im Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik (Biat) der Europa-Universität Flensburg, den Original-Schädel mit einem 3-D-Drucker rekonstruiert. Dieser stammt
aus dem ehemaligen Rungholt-Gebiet in Nordfriesland. Es ist der erste Schritt zur Entstehung eines „Fleischmodells“.
Über den Rungholter weiß man Johannsen zufolge nicht viel: „Er war zwischen 30 und 35 Jahre alt und hat gehungert.“ Das habe eine DNA-Analyse ergeben, als der Schädel an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel untersucht wurde. Johannsen hat drei Tage lang an dem dreidimensionalen Modell gearbeitet. Dafür waren mehrere Arbeitsschritte nötig. Zuerst musste
der originale archäologische Fund mit einer Kamera und einem Projektor gescannt werden. Auf einer schwarzen Unterlage mit weißen Orientierungspunkten für die Kamera, die einem flachen
Zylinder-Hut gleicht, liegt der Schädel und wird mit einem blauen Gittermuster angestrahlt. „Die Kamera erfasst so die Krümmung des Schädels“, erklärt Johannsen. Insgesamt fünf Scans hat
der Labortechniker gemacht, die er mittels seines Computers zu einem Bild zusammenfügt. Dies ist die Grundlage für den Druck.
Innerhalb von 45 Stunden entstand im Labor des Biats ein blauer Schädel aus Kunststoff. Kopfüber wurde er gedruckt, beginnend mit der Schädeldecke. Schicht für Schicht trägt der Druckkopf
präzise das Pulvermaterial auf, bis der komplette Schädel fertig ist. Schwarzes Stützmaterial verhindert, dass er zusammenbricht. Sobald das Werk aus dem Drucker kommt, wird das schwarze
Material „abgewaschen“, wie es im Fachjargon heißt. „Das Abwaschen dauert fast so lange wie der Druck“, stellt Johannsen den Arbeitsaufwand dar. Ist er sauber, treten der Original-Schädel
und dessen Rekonstruktion die Reise nach Nordfriesland an, wo sie bald ausgestellt werden.
Der 3-D-Drucker wird sonst aber nicht für Aufträge, sondern ausschließlich von den Studierenden des Biats benutzt, die angehende Berufsschullehrer sind. Vor sieben Jahren hat die
Universität das Gerät angeschafft. „Das war damals sehr teuer“, sagt Reiner Schlausch, Professor am Biat in der Fachrichtung Metalltechnik. Seine Studierenden arbeiten an verschiedenen
Projekten mit dem Drucker. Sie stellen verschiedene Ersatzteile her, zum Beispiel einen Windmesser für das Physikinstitut. Oder Teile für Fahrräder oder Autos. Aber auch ihren eigenen
Kopf haben die Studierenden gescannt und anschließend im blauen oder gelben Miniformat gedruckt.
Schlausch bedauert, dass nur wenige junge Leute diesen Berufsweg wählen. „Im technischen Bereich gibt es einen Mangel an Lehrkräften, denn viele Ingenieure kommen nicht auf die Idee, an
eine Berufsschule zu gehen“, sagt er. 20 Studierende werden in den Fachrichtungen Metalltechnik, Elektrotechnik, Fahrzeugtechnik und Informationstechnik ausgebildet – zu wenige, findet
Schlausch.
Text: Tina Ludwig
Service für Urlauber: Aktiv-Region fördert das Füllen von Kühlschränken
vom25. November 2015
Aus der Redaktion der Husumer Nachrichten
Die Aktiv-Region Südliches Nordfriesland fördert ein Projekt in Viöl: Urlaubern sollen die Kühlschränke gefüllt werden. Unterstützt wird auch der Mensaumbau in Hattstedt, eine
Rungholt-Ausstellung und ein Energieprojekt.
Die neue Förderperiode läuft, und der Vorstand der Lokalen Aktionsgruppe Aktiv-Region Südliches Nordfriesland
traf sich zu einer Sitzung in den Räumen der St. Christian Diakonie Eiderstedt in Tönning. Neben Regularien, wie etwa die neuen Förderrichtlinien, ging es um die Zustimmung und damit Förderung
für vier Projekte. Dazu gehören die „Mensa Hattstedt – Alles was gut isst“, „Energieprofit im Kreis Nordfriesland“,
„Toller Service – Voll regional“ sowie „Rungholt – rätselhaft und widersprüchlich“. Gleichzeitig teilte Regionalentwicklerin Hanna Fenske mit, dass sie zum Ende des Jahres aufhört, um eine neue
Stelle in Niedersachsen anzutreten.
Dabei war das Projekt Hattstedt nahezu ein Selbstgänger, denn bereits in der vorigen Vorstandssitzung wurde es quasi gutgeheißen, nur waren die bei der damaligen Vorstellung genannten Ziel nicht
so im Antrag festgehalten worden. Diesmal sah es anders aus. Die Jens-Iwersen Grundschule und die Kita Brückengruppe möchten in Kooperation mit den örtlichen Vereinen aktiv werden. In der Schule
gibt es eine Küche sowie einen Essbereich, der von der Schule und bei verschiedenen Veranstaltungen der Verein genutzt wird. Das Ziel ist es, die Qualität durch einen Umbau zu steigern. Dadurch
sollen die Kurse und Veranstaltungen aufgewertet und die Vereinsarbeit im Dorf unterstützt werden. Zudem soll die Küchenmensa als Aktionsraum für den nordfriesischen Qualitätszirkel zur
Fortbildung von Fachpersonal und Eltern im Bereich Ernährung dienen. Die Kosten belaufen sich auf rund 35.000 Euro, davon trägt die Aktiv-Region 60 Prozent des Nettobetrages in Höhe von 17.318
Euro.
Auch an der neu konzipierten Ausstellung „Rungholt – rätselhaft und widersprüchlich“ beteiligt sich die Aktiv-Region. Die Gesamtkosten betragen 16.000 Euro, 8000 Euro werden zugeschossen.
Antragsteller ist der Zweckverband Museumsverbund Nordfriesland.
Ebenfalls „Energieprofit im Kreis Nordfriesland“, das vom Kreis vorgestellt wurde, erhielt die Unterstützung der Aktiv-Region. Das Projekt soll die Energie- und Ressourceneffizienz der
Unternehmen erhöhen. Dabei wird der Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen bis maximal 250 Mitarbeiter gelegt. Etwa zehn sollen teilnehmen. Es wird drei Workshops sowie eine
Abschlussveranstaltung geben. Die Kosten dafür werden auf knapp 12.000 Euro beziffert, die Förderung beträgt 7500 Euro.
Vom Amt Viöl wurde ein Gemeinschaftsprojekt der Aktiv-Regionen Eider-Treene-Sorge, Südliches Nordfriesland und Mitte des Nordens eingereicht. Vorgesehen ist ein Einkaufsservice für Urlauber. Da
die Gäste vielfach am späten Nachmittag oder frühen Abend in ihre Ferienwohnung reisen und dann noch einkaufen müssen, soll es einen Extra-Service geben. Den Urlauber erwartet ein nach seinen
Wünschen gefüllter Kühlschrank. Darin überwiegen Produkte aus der Region. Zudem sollen die Gäste auch durch Rezeptideen aus der Region die lokale Küche kennenlernen. Vorgesehen ist eine
Koordinierung, die Belieferung erfolgt dann durch die Anbieter vor Ort. Ein breites Netzwerk, von Biobauern über die Landfrauen und die Dehoga, bis hin zu den Einzelhändlern soll geknüpft werden.
Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 67.000 Euro. Die Aktiv-Region fördert das Vorhaben mit knapp 40.000 Euro.